Die Schmerzwahrnehmungsbahnen bestehen aus 4 wichtigen Kernelementen: Transduktion, Transmission, Modulation, Wahrnehmung
1. Transduktion
Erreicht ein noxischer Reiz das periphere Ende eines nozizeptiven Axons (Nozizeptoren), findet eine Umprogrammierung, oder auch Kodierung, genannte Übersetzung (Translation) des noxischen Reizes statt. Dieser wird in Ionenströme und Menbranpotentialänderungen umkodiert. Die Folge dessen sind entsprechende Rezeptor und Generatorpotenziale.
2. Transmission
Die erzeugten Potentiale werden im folgenden, über afferente Fasern zum ZNS, über das erste nozizeptive Neuron weitergeleitet. Dieses befindet sich in den Spinalganglionzellen. Mehr als die Hälfte aller dort vorhandenen Neurone sind nozizeptiv.
3. Modulation
Die Modulation des entsprechenden Potentials findet im zweiten Neuron, im zentralen Rückenmark und dort vorhandenen neuronalen Netzen statt. Um den Prozess zu durchlaufen braucht es die Freisetzung von synaptischen Überträgerstoffen. Diese haben eine erregende sowie inhibierende Aufgabe. Im folgenden sprechen wir über die Botenstoffe Glutamat und GABA.
4. Wahrnehmung
Um die Prozesse und die Informationen wahrzunehmen braucht es die folgenden Verarbeitungsorgane. Weitere Verarbeitung geschieht in neuronalen Netzwerken innerhalb des Hirnstamms. Abschließende Verarbeitung findet dann innerhalb der neuronalen Netze in unserem Gehirn (ZNS) statt. Es sei gesagt das ich in diesem Artikel nicht detailliert auf den hoch Kognitiven Verarbeitungsprozess eingehe und Punkt 4 eher schematisch dargestellt ist.
Möglichkeiten durch diese 4 Komponenten:
ermöglichen spinale und medulläre somatische Reflexe
ermöglichen viszerale Reflexe
sie aktivieren endokrine Organsysteme über den Hypothalamus
eine Sinneswahrnehmung, in unserem Fall - Schmerzwahrnehmung, mit kognitiven sowie emotionalen Komponenten wird ermöglicht
Nozizeptoren
Niederschwellige Rezeptoren reagieren auf mechanische Reize und sind mit taktilen afferenten Nervensynapsen verbunden. Hochschwellige Rezeptoren reagieren auf starke mechanische Reize, die noxisch sein können, kombiniert mit nozizeptiven Afferenzen.
Nozizeptive Neurone reagieren vollständig oder unterschiedlich auf toxische Reize, wie potenzielle oder aktuelle Gewebeschädigungen. Nozizeption ist die Aktivität des Nozizeptors und Schmerz ist die daraus resultierende Wahrnehmung. Erst im Wachzustand führt die Nozizeption zur Schmerzwahrnehmung.
Struktur
Die meisten Informationen stammen aus der Forschung zur Innervation der Haut. Strukturell gehören nozizeptive Axonenden zu freien Nervenfaserenden. Sie können also in die Gruppe der nicht-korpuskulären Nervenfaserendigungen gesteckt werden.
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Die Arten von Nozizeptoren
Modalitätsspezifische Nozizeptoren reagieren nur auf bestimmte schädliche Reize.
Modalitätsunspezifische Nozizeptoren, auch multimodale Nozizeptoren genannt, werden nur durch unterschiedliche extrem hohe Reize aktiviert.
Unterschiedliche Reize bzw. Polymodalität bedeutet aber nicht dass auf alle schädlichen Reize gleich reagiert wird.
Folgende Modalitäten liegen vor:
thermisch (starke Hitze und Kälte)
mechanisch (Druck und Zug Verhältnisse)
chemische (exogene und endogene)
Nehmen wir uns einmal einen mechanischen Reiz vor. Wir kratzen uns an einer Stelle unserer Haut. Die daraus entstehende Aktivierung spezieller Nozizeptoren geschieht wahrscheinlich dadurch, da diese spezielle Klasse eine stärkere Antwort auf Histamin hat, aber eine schwächere auf mechanische Reize, verbunden mit größeren rezeptiven Feldern.
Wir haben Nozizeptoren in:
der Haut
der Epidermis
in peripheren Nerven
dem muskuloskelettalen System
viszerale Afferenzen in Gewebskompartimente der Organe des Kopfes
viszerale Afferenzen in Gewebskompartimente der Organe des Halses
viszerale Afferenzen in Gewebskompartimente der Organe des Thorax
viszerale Afferenzen in Gewebskompartimente der Organe des Bauch und Beckenraumes
Ein wichtiger Unterschied ist, dass in den inneren Organen (Viszera) und dem muskukoskelettalen System, eine geringere Dichte an Nozizeptoren vorliegt, die aber größere rezeptive Felder als in der Haut aufweisen.
Nozizeptive A-Delta Fasern haben eine hohe Leistungsgeschwindigkeit und sind für schnelle Reflexe und Verhaltensreaktionen verantwortlich. Diese sind teilweise von Myelinscheiden umhüllt. Werden sie aktiviert spüren wir einen initiale und sehr präsente Schmerzempfindung. Ich nenne ihn, Initiationsschmerz. Dadurch haben sie eine größere Bedeutung als langsamere C-Fasern.
C-Fasern hingegen haben keine Isolation in Form von Myelinscheiden. Sie sind daher für die darauffolgende Schmerzwahrnehmung verantwortlich. Dieser stellt sich über einen längeren Zeitraum dar und fühlt sich eher brennend oder stumpf an.
Melzack und Wall unterscheiden diesbezüglich 2 Klassen:
Typ 1 AMH´s
Hohe Schwelle - HTM (high-treshold) mechanorezeptoren.
Diese werden auch als A-Faser-Mechano-Hitze-Nozizeptoren bezeichnet oder wie oben genannt Typ 1 AMH´s.
hohe Erregungsschwelle
reagieren nur auf starke mechanische Reize
aktiviert bei stechender Schmerzwahrnehmung (Nadelstiche)
regieren nicht auf kurze Hitze oder chemische Fragen (Ausnahme: wenn sensibilisiert, sind sie doch hitzeempfindlich. Dafür steht das H - "Hitze" ,im Namen AMH´s.)
hohe Hitzeschwelle für kurze Stimuli
niedrige Hitzeschwelle für lange Stimuli
langsam zunehmende Antworten auf intensive Hitze
dadurch lange Antwortzeit auf intensive Hitze
späte Spitzenfrequenz
überwiegend mechanosensitive Afferenzen (MSA´s)
A-Delta und A-Beta Leitgeschwindigkeiten
befinden sich auf behaarter und Lederhaut
Typ 2 AMH´s
reagieren sehr schnell auf Hitze
reagieren gering auf mechanische Reize
befinden sich nur auf behaarter Haut
sind polymodal
niedrige Hitzeschwelle für kurze Stimuli
niedrige Hitzeschwelle für lange Stimuli
adaptieren Antwort bei intensiver Hitze
daher kurze Latenzzeit auf intensive Hitze
frühe Spitzenfrequenz
überwiegend mechanoinsensitive Afferenzen (MIA´s)
A-Delta Leitgeschwindigkeit
Bei der Stimulation von multimodalen und Typ-A-Faser-Nozizeptoren wird eine unterschiedliche Schmerzqualität erzeugt, da jede Faser ein eigenes Empfindlichkeitsspektrum hat, das zu unterschiedlichen räumlichen Entladungsmustern führt und Informationen über die Art der Stimulation behält. Diese unterschiedlichen Reaktionen auf unterschiedliche Reize stellen einen Code dar und bilden die Grundlage für die Identifizierung unterschiedlicher Schmerzqualitäten.
Der empfindlichste Nozizeptor (multimodal) hat eine Reizintensitätsschwelle, die niedriger ist als die Intensität, die für eine Gewebeschädigung erforderlich ist. Die folgenden 3 Beispiele liegen daher deutlich unter der Schmerzwahrnehmungsschwelle.
20 mN für mechanischen Reiz
40° für thermische Hitze
20° für thermische Kälte
Spezifische Arten der Nozizeptoren
1. Stumme Nozizeptoren
Diese reagieren nicht auf die üblichen noxischen Reize und sind daher unempfindlich. Sie benötigen eine deutliche Gewebsschädigung um aktiviert zu werden. Dies geschieht durch die lokalen chemischen Prozesse, die im betroffenen Gebiet ablaufen. Stumme Nozizeptoren befinden sich in der Viszera, der Haut und unseren Gelenken.
2. Muskelnozizeptoren
Muskelnozizeptoren ragieren auf alle 3 Reizqualitäten: Hitze, chemische sowie mechanische Reize. Sie informieren über A-Delta und C-Fasern das Rückenmark. Elektrische Reizung dieser Rezeptoren kann eine krampfartige Schmerzwahrnehmung auslösen. Muskelkontraktionen bei ischämischen Bedingungen reizen diese Zeptoren. Warum dies so ist und ob Kälte einen effektiven Reiz darstellt, weiß man leider nicht.
3. Gelenknozizeptoren
Sie reagieren auf mechanischen Input, wie Druck und Dehnung. Thermische Reize können ebenfalls ein Schmerzauslöser sein, genaueres ist aber noch unbekannt. Chemische Reize sind aber bei diesen Nozizeptoren auch ein Schmerzauslöser. Alle Qualitäten werden über A-Delta und C-Faserendigungen übertragen.
1/3 der Afferenzen reagiert auf Überdehnung und 1/3 sind stumme Nozizeptoren. Diese brauchen erst wieder eine Entzündung im Gelenk und reagieren dadurch eher auf unphysiologische Bewegungen, die aus diesen Entzündungen entstehen.
4. Knochennozizeptoren
Das Periost weist eine sehr hohe Dichte an Innervation auf. Wir alle haben dies schon einmal gespürt. Das innere des Knochens, wird aus dem Periost heraus, oder aus der anliegenden Gelenkkapsel heraus innerviert.
5. Rezeptive Felder (das spannendste)
Eine Afferenz weist immer einen Arbeitskreis auf, oder wie ich es nenne Einflussbereich. Bei adäquaten reizen auf der Haut, wird die entsprechende lokale Hautafferenz aktiviert. Dies erscheint uns sehr logisch. Rezeptive Felder für mechanische und thermische Reize der C-Hautafferenzen, besitzen teils einen Durchmesser von 1-3mm, oder mehrere Zentimeter!
Diese Felder können sich bei noxischen Signalen vergrößern! Das erklärt und bietet eine Antwort auf das entstehen von fortgeleiteten Schmerzen. Wir können uns unsere "Schmerzfelder" nun erklären.
6. Lokale Schmerzwahrnehmung
Eine Ergänzung zum obigen Punkt, bietet die lokale Schmerzwahrnehmung. Kleine rezeptive Felder bedeuten nicht immer einen Vorteil. Denn diese weisen eine höhere Innervationsdichte auf. Dadurch können wir aber ganz genaue Lokalisationen der Schmerzen vornehmen. Wieder einmal ist nicht alles gute beisammen, zur Therapeutischen Diagnosestellung aber sehr wirkungsvoll.
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