SIBO – Wenn der Dünndarm streikt: Symptome, Ursachen & Hilfe bei Fehlbesiedlung
- Roman Welzk | Gründer mein-physio.info
- 10. Juni
- 4 Min. Lesezeit
Verdauungsprobleme wie Blähungen, Bauchschmerzen oder chronische Müdigkeit können viele Ursachen haben. Eine davon wird immer häufiger erkannt, obwohl sie lange Zeit kaum beachtet wurde: SIBO – das Small Intestinal Bacterial Overgrowth, auf Deutsch: Dünndarmfehlbesiedlung. Dabei vermehren sich im Dünndarm Bakterien, die dort eigentlich nicht hingehören – und verursachen dort Beschwerden, die oft einem Reizdarmsyndrom ähneln. Dieser Artikel erklärt, was SIBO ist, wie man es erkennt, warum es entsteht und wie man es wirksam behandeln kann.
Was ist SIBO genau?
SIBO steht für eine übermäßige Vermehrung von Bakterien im Dünndarm. Während der Dickdarm natürlicherweise Milliarden von Mikroorganismen beherbergt, ist der Dünndarm vergleichsweise bakterienarm. Bei SIBO kommt es zu einer bakteriellen Überbesiedlung – mit oft dramatischen Folgen: Die Bakterien beginnen, aufgenommene Kohlenhydrate zu fermentieren, produzieren Gase wie Wasserstoff oder Methan – und stören so massiv die Verdauung und Nährstoffaufnahme.
Es gibt verschiedene Typen von SIBO – abhängig davon, welche Gase produziert werden:
H2-SIBO (Wasserstoffdominant) – häufig mit Durchfall assoziiert
CH4-SIBO (Methan-dominant) – typischerweise verbunden mit Verstopfung
H2S-SIBO (Schwefelwasserstoff) – neu diskutiert, mit starkem Blähbauch und Müdigkeit
Symptome: Wenn Bakterien am falschen Ort sind
Die Symptome einer Dünndarmfehlbesiedlung sind vielfältig und überschneiden sich oft mit anderen funktionellen oder entzündlichen Darmerkrankungen. Zu den häufigsten Beschwerden gehören:
starke Blähungen, oft kurz nach dem Essen
Völlegefühl, Bauchkrämpfe, Aufstoßen
Durchfall oder Verstopfung (oder ein Wechsel)
Fettstühle, weil Fette nicht richtig aufgenommen werden
Mangelerscheinungen (v. a. Vitamin B12, Eisen, fettlösliche Vitamine)
chronische Müdigkeit, Brain Fog
Hautprobleme, Unruhe, Reizbarkeit
Da viele Symptome unspezifisch sind, wird SIBO häufig nicht erkannt oder mit Reizdarmsyndrom verwechselt. Studien zeigen, dass bis zu 60 % der Reizdarm-Patienten auch SIBO haben könnten (Sachdev et al., 2018).
Ursachen und Risikofaktoren für eine Dünndarmfehlbesiedlung
SIBO entsteht oft als Folge eines gestörten Darmmilieus oder anatomischer bzw. funktioneller Probleme im Verdauungstrakt. Häufige Ursachen und Risikofaktoren sind:
gestörte Darmmotilität (z. B. durch Diabetes, Sklerodermie, Hypothyreose)
langsame Darmpassage oder anatomische Engstellen
Verklebungen nach Operationen oder Narben im Bauchraum
niedrige Magensäureproduktion (z. B. bei langfristiger Einnahme von PPI)
chronische Stressbelastung und vegetative Dysregulation
Infektionen oder Lebensmittelvergiftungen
Langfristiger Gebrauch von Antibiotika oder Opioiden
Störungen der Ileozäkalklappe, die normalerweise Bakterien aus dem Dickdarm zurückhält
Auch stilles SIBO ohne erkennbare Ursache kommt vor – besonders bei langanhaltendem Stress oder Dysbiose im gesamten Darmtrakt.
Wie SIBO diagnostiziert wird: Der Atemgastest & mehr
Die gängigste Methode zur Diagnose von SIBO ist der Atemgastest. Dabei trinkt man eine Zuckerlösung (meist Glukose oder Laktulose), und anschließend wird in bestimmten Zeitabständen der Gehalt an Wasserstoff und Methan in der Ausatemluft gemessen. Diese Gase entstehen nur dann, wenn Bakterien im Dünndarm Zucker fermentieren – ein indirekter, aber praxistauglicher Nachweis.
Typische Kriterien (nach North American Consensus, 2017):
Anstieg von ≥ 20 ppm H₂ innerhalb von 90 Minuten = positiv
Anstieg von ≥ 10 ppm CH₄ zu jeder Zeit = Methan-SIBO
Mischformen sind möglich
Andere Diagnostikverfahren, wie Dünndarmaspirat mit Bakterienkultur, gelten als Goldstandard, sind jedoch invasiv und selten in der Praxis.
Behandlungsoptionen: Antibiotika, Diät und Alternativen
Die Behandlung von SIBO erfolgt in mehreren Schritten – meist in Kombination:
Antibiotikatherapie: Das nicht-resorbierbare Antibiotikum Rifaximin gilt als Standard bei H₂-SIBO. Bei CH₄-SIBO wird oft eine Kombination mit Neomycin empfohlen. Studien zeigen Erfolgsraten von 40–75 % nach einer Therapie.
Diätische Maßnahmen: Eine Low-FODMAP- oder Elementardiät kann Symptome lindern und das bakterielle Milieu verbessern.
Motilitätsfördernde Mittel (Prokinetika): Substanzen wie Prucaloprid oder pflanzliche Präparate (z. B. Ingwer, Iberogast) können helfen, den „Migrating Motor Complex“ (MMC) im Dünndarm zu unterstützen – wichtig, um Rückfälle zu vermeiden.
Begleitbehandlung: Magensäure optimieren, Stress reduzieren, gegebenenfalls psychotherapeutische Unterstützung – je nach individuellem Hintergrund.
Ein strukturierter Therapieplan mit einem erfahrenen Arzt oder Heilpraktiker ist sinnvoll, da SIBO oft chronisch verläuft und Rückfälle häufig sind.
Peters Erfahrungen: Alltagstipps im Umgang mit SIBO
Als jemand, der selbst über Monate mit SIBO zu tun hatte, weiß ich: Der Weg zur Besserung ist selten geradlinig. Aber es gibt kleine Dinge, die große Wirkung haben können:
Essenspausen von 4–5 Stunden zwischen den Mahlzeiten, damit der Migrating Motor Complex aktiviert wird
abends nichts mehr nach 20 Uhr essen, um die nächtliche Darmreinigung zu fördern
Bewegung nach dem Essen, z. B. ein Spaziergang, hilft nachweislich
Stressmanagement: Meditation, Atemübungen oder einfach bewusstes Abschalten vor dem Schlafen wirken Wunder
Wärmflasche + Fencheltee bei akuten Blähungen – klingt banal, wirkt aber zuverlässig
Vertrauenswürdige Begleitung: Für mich war ein erfahrener Therapeut mit funktionellem Verständnis entscheidend
SIBO & Ernährung: Elementardiät, Low-FODMAP & Co.
Die Ernährung spielt bei SIBO eine zentrale Rolle – sie ist aber kein Selbstläufer. Die wichtigsten Ansätze:
Low-FODMAP-Diät: Eine zeitlich begrenzte Diät mit reduzierten fermentierbaren Zuckern kann die Symptome signifikant lindern – und die bakterielle Überproduktion von Gasen bremsen.
Elementardiät: Diese extrem restriktive Diät besteht aus vollständig aufgespaltenen Nährstoffen (Aminosäuren, einfache Zucker, Fettsäuren), die direkt aufgenommen werden und keine Nahrung für Bakterien bieten. Sie wird meist nur 2–3 Wochen durchgeführt – z. B. mit fertigen Pulvern (Elemental Formula).
GAPs, SCD, carnivore Ansätze: Auch diese Diäten werden diskutiert – je nach individueller Verträglichkeit. Wissenschaftlich gut belegt ist jedoch vor allem die Low-FODMAP-Diät.
Wichtig: Ernährung ist kein Ersatz für eine Therapie, kann aber maßgeblich zum Erfolg beitragen. Individuelle Verträglichkeit ist entscheidend.
Fazit: SIBO erkennen und gezielt behandeln
SIBO ist eine ernstzunehmende, aber behandelbare Ursache für viele chronische Verdauungsbeschwerden. Wichtig ist ein strukturierter Ansatz: Die richtige Diagnostik, eine individuell angepasste Therapie – und die Bereitschaft, Ernährung und Lebensstil aktiv mitzugestalten. SIBO ist kein einfacher Gegner, aber er lässt sich mit Wissen, Konsequenz und Geduld in den Griff bekommen. Wer frühzeitig handelt und nicht nur Symptome, sondern Ursachen behandelt, kann langfristig beschwerdefrei leben.
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