Iliotibialband-Syndrom (ITBS): Wenn das Knie außen schmerzt – Ursachen, Symptome und Behandlung
- Roman Welzk | Gründer mein-physio.info
- 8. Juni
- 4 Min. Lesezeit
Knieschmerzen an der Außenseite sind ein häufiges Leiden bei sportlich aktiven Menschen. Besonders betroffen sind Läufer, Wanderer, Radsportler und CrossFitter, aber auch Einsteiger, die zu schnell ins Training einsteigen. In vielen Fällen steckt hinter diesen Schmerzen das sogenannte Iliotibialband-Syndrom (ITBS) – auch bekannt als Läuferknie, Tractussyndrom oder Runner’s Knee (lateral). Das ITBS ist eine Reizung oder Entzündung des Iliotibialbandes (IT-Band), einer bindegewebigen Struktur an der Außenseite des Oberschenkels, die bei jedem Schritt über den seitlichen Knieknochen gleitet. Diese Reibung kann zu einer chronischen Entzündungsreaktion führen – mit stechendem, ziehendem oder brennendem Schmerz an der Knieaußenseite, der vor allem beim Laufen oder Radfahren auftritt.
Das Gute: Das ITBS ist nicht gefährlich, aber unangenehm. Und: Es ist vollständig heilbar, wenn die Ursachen erkannt und gezielt behandelt werden. In diesem Artikel erfährst du, wie das Iliotibialband-Syndrom entsteht, wie du es erkennst, welche Maßnahmen wirklich helfen – und wie du langfristig schmerzfrei bleibst.
Was ist das Iliotibialband?
Das Iliotibialband (auch Tractus iliotibialis genannt) ist eine dicke Sehnenplatte, die an der Außenseite des Oberschenkels vom Becken (Darmbeinkamm) bis zum Schienbein (Tibia) verläuft. Es entsteht aus den Faszien und Muskeln des Gesäßes und des Oberschenkels, insbesondere dem:
Musculus gluteus maximus (großer Gesäßmuskel)
Musculus tensor fasciae latae (TFL)
Das IT-Band ist kein Muskel, sondern eine faserige Struktur, die vor allem der Stabilisierung des Beins beim Gehen, Laufen und Stehen auf einem Bein dient. Es überquert das Kniegelenk seitlich und gleitet bei jeder Beugung und Streckung über den lateralen Femurkondylus (äußerer Oberschenkelknochen).
Bei wiederholter Reibung – besonders um die 30°-Beugungsposition des Knies – kann es zu einer Entzündung oder Reizung der darunterliegenden Schleimhaut oder des Gewebes kommen: Das ist das Iliotibialband-Syndrom.
Ursachen des Iliotibialband-Syndroms
Das ITBS ist keine akute Verletzung, sondern ein Überlastungssyndrom, das sich über Wochen oder Monate entwickelt. Meist liegt eine funktionelle Ursache zugrunde, die durch Fehlbelastung, muskuläre Schwächen oder Trainingsfehler verstärkt wird.
1. Fehlstellungen und Beinachsenprobleme
X-Beine (Genu valgum) führen zu erhöhtem Zug auf das IT-Band.
Überpronation im Fuß (Knick-Senkfuß) leitet den Druck nach außen.
Beckeninstabilität bei schwacher Hüftmuskulatur verschlechtert die Beinachse.
2. Muskuläre Dysbalancen
Schwäche des Gluteus medius/maximus (Hüftstabilisatoren)
Überlastung des Tensor fasciae latae (TFL) – zieht das IT-Band nach vorne
Fehlende Aktivierung der Beinbeuger und Wadenmuskulatur
3. Training und Belastung
Plötzliche Trainingssteigerung
Lange Läufe, Downhill-Strecken, schräge Untergründe (z. B. Straßenrand)
Zu geringe Regeneration
Laufen mit eingedrehter Beinachse oder falschem Schuhwerk
4. Biomechanische Faktoren
Verkürzter Schritt
Mangelnde Mobilität im Hüftgelenk
Instabilität im Rumpf
Symptome: Wie äußert sich das ITBS?
Die Symptome sind meist eindeutig und belastungsabhängig:
Stechender, brennender oder ziehender Schmerz an der Knieaußenseite
Schmerz tritt während oder kurz nach dem Sport auf, v. a. beim Laufen, Treppensteigen oder Bergabgehen
Besonders typisch: Schmerzen bei ca. 30°-Kniebeugung
Druckempfindlichkeit über dem äußeren Knieknochen
Manchmal Ausstrahlung entlang des Oberschenkels
Wichtig: Im Ruhezustand oft keine Schmerzen – aber bereits nach wenigen Minuten Bewegung erneut spürbar.
Diagnose des ITBS
Die Diagnose erfolgt meist klinisch:
Anamnese (Laufverhalten, Trainingsgewohnheiten, Schmerzbeschreibung)
Drucktest über dem lateralen Kniekondylus (schmerzhaft)
Ober-Test: Patient liegt auf der Seite, das Bein wird abduziert – bei Verkürzung oder Spannung Schmerzgefühl
Funktionsdiagnostik: Standbein-Test, Einbeinstand, Beinachse bei Kniebeugen
Bildgebung ist meist nicht notwendig, kann aber zur Abgrenzung von anderen Ursachen (z. B. Meniskus, Bandscheiben, Hüfte) genutzt werden.
Therapie: Was hilft wirklich?
Die Behandlung zielt auf Reizreduktion, Mobilisation und Ursachenbehebung ab. Eine OP ist fast nie notwendig – das ITBS lässt sich konservativ sehr gut behandeln.
1. Akutphase: Reizung lindern
Sportpause von 1–2 Wochen (je nach Schwere)
Kühlen der Außenseite (10–15 Minuten, 2–3x täglich)
Entzündungshemmende Salben oder NSAR (z. B. Ibuprofen)
Querfriktion/Massage durch Therapeuten
Kinesiotaping zur Entlastung der betroffenen Zone
2. Funktionelle Physiotherapie
Dehnung des Iliotibialbands (seitliche Dehnübungen im Stand, mit Wand oder auf Matte)
Faszienrolle für die Oberschenkelaußenseite (langsam, dosiert, schmerzfrei!)
Kräftigung der Hüftstabilisatoren (Gluteus medius)
Aktivierung des Rumpfs und der Beinrückseite
Gangschulung / Bewegungsschulung bei Laufanfängern
3. Alltag und Training anpassen
Keine Bergab-Strecken in der ersten Phase
Laufen auf geradem Untergrund, möglichst Waldboden
Schuhe überprüfen (ggf. neue Laufschuhe oder Einlagen)
Trittfrequenz beim Radfahren erhöhen
Bewegungspausen in den Alltag integrieren
Wie lange dauert die Heilung?
Akutes ITBS: 2–4 Wochen
Chronisches ITBS: 6–12 Wochen
Rückfallprophylaxe: kontinuierliches Hüft- und Rumpftraining
Wichtig: Nicht nur warten, bis der Schmerz weg ist – sondern gezielt an Beinachse, Hüftstabilität und Bewegungskontrolle arbeiten.
Übungen gegen ITBS (unter Anleitung):
🔹 Seitliches Beinheben (mit Miniband)
Aktiviert den Gluteus medius
Fördert Beckenstabilität
🔹 Step-down mit Fokus auf Knieachse
Kontrolle der Beinachse bei Beugung
Wichtig für Läufer
🔹 Faszienrolle auf dem IT-Band
Nur sanft, maximal 2 Minuten pro Seite
Nie direkt über Knochen rollen
🔹 Dehnung in Seitlage oder im Stand
Sanfte Dehnung des TFL und IT-Bands
Kombinieren mit tiefer Bauchatmung
Fazit: ITBS ist heilbar – mit gezielter Bewegung und klugem Training
Das Iliotibialband-Syndrom ist eine häufige, aber gut behandelbare Überlastungserscheinung bei sportlich aktiven Menschen. Wer die Signale seines Körpers ernst nimmt und statt bloßer Schonung die Ursachen behebt, kann schon nach wenigen Wochen wieder schmerzfrei trainieren – und mit gestärkter Beinachse, besserer Stabilität und nachhaltiger Bewegungskompetenz durchstarten.
Statt einfach „weiterzulaufen“, lohnt es sich also, kurz innezuhalten – und den Körper durch gezielte Korrekturen dauerhaft belastbarer zu machen.
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